Gerade im Vertrieb ist der persönliche Kontakt wichtig. Aber ist das mit einem digital aufgestellten Unternehmen überhaupt vereinbar?

Auf der einen Seite erhöht die Digitalisierung die Distanz zwischen den Menschen, auf der anderen Seite machen angeblich die persönlichen Elemente den Unterschied im Vertrieb. Kann man beides auch unter einen Hut bringen?

Dr. Matthias Walter, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Blue Advisory GmbH, gibt eine Einschätzung ab:

Forciert durch die Corona-Pandemie haben wir einen deutlichen „Digitalisierungs-Boost“ erlebt – insbesondere in Bereichen, in denen persönlicher Kontakt immer noch ausschlaggebend ist.

Lebte der B2B-Vertrieb bis 2019 vor allem vom direkten und persönlichen Kundenkontakt, wurde dieser durch die Pandemie abrupt erschwert und klassische Vertriebskanäle wie beispielsweise Besuche, Messen oder Events wurden zwischenzeitlich in die digitale Welt verschoben.

Anstatt die „klassischen Vorteile“ des Außendienstes auszuspielen – sei dies der Aufbau von persönlichen Beziehungen durch den Vor-Ort-Kontakt oder die haptische Produktpräsentation – muss der Vertrieb zulasten der persönlichen Nähe auf digitale Kanäle wie beispielsweise Video-Konferenzen oder virtuelle Events zurückgreifen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage, wie sich der Vertrieb im Zuge der Digitalisierung aufstellen kann und muss, um auch zukünftig erfolgreich zu sein?

Chancen der Digitalisierung im Vertrieb

Prinzipiell empfehle ich, sich in erster Linie mit den vorhandenen Chancen der Digitalisierung im Vertrieb vertraut zu machen und offen für Änderungen zu sein. Konnten beispielsweise früher – durch die lange und kostenintensive Anreisezeiten – nur wenige Kundentermine pro Tag wahrgenommen werden, können heute mithilfe digitaler Konferenz-Tools gleich mehrere Termine an einem Tag abgehalten werden.

Anstatt dabei „unproduktive“ Reisezeit im Auto zu verbringen, kann der Vertrieb nun seine Kapazitäten effizienter allokieren und sich vermehrt auf Neu- oder beispielsweise anspruchsvolle A-Kunden fokussieren.

Gleichzeitig unterstützen die Möglichkeiten der Digitalisierung auch dabei, Verkaufsgebiete des Vertriebs zu erweitern. Je nach Aufteilung Ihrer Vertriebsregionen gab es bestimmt auch bei Ihnen in der Vergangenheit Kunden, die schlicht aufgrund der Entfernung „weniger rentabel“ in der laufenden Betreuung waren – obwohl sie vielleicht sogar ein ähnliches Umsatzpotenzial aufwiesen. Solche Kunden sind nun „mit nur einem Mausklick“ unmittelbar erreichbar.

Hybrider Vertrieb verbindet Digitalisierung und persönlichen Kontakt

Bei allen Vorteilen, die mit der Digitalisierung verbunden sind, haben jedoch analoge Vertriebswege in vielen Bereichen und Unternehmen noch lange nicht ausgedient. Insbesondere bei beratungsintensiven Produkten oder Dienstleistungen, aber auch im anfänglichen Aufbau von Kundenbeziehungen ist und bleibt der persönliche Kontakt einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren im B2B-Bereich.

Die Lösung besteht daher nicht im „entweder oder“, sondern – wie so oft – in der Mitte: in der Entwicklung eines „hybriden Vertriebs“ – einem Mix aus dem, was Kunden aus der „alten Welt“ schätzen, verbunden mit den Vorteilen der Digitalisierung.

Vor diesem Hintergrund sollte daher immer eine Abwägung vorgenommen werden: So besitzt die persönliche Komponente beispielsweise bei anfänglichen Kennenlernterminen mit Neukunden oder auch bei „kritischeren“ Terminen (etwa Preisverhandlungen, Eskalationen) einen erfolgsentscheidenden Einfluss. Dagegen steht bspw. bei Statusmeetings oder Terminen mit Bestandskunden häufig lediglich ein kurzer Informationsaustausch im Vordergrund.

Wann sollte man den persönlichen Kontakt vorziehen?

Es bietet sich daher an, gerade zu Beginn einer Kundenbeziehung und dann in regelmäßigen Abständen oder bei entsprechendem Bedarf den persönlichen Kontakt zu wählen. Für das regelmäßige „Keep in Touch“ – sobald ein Vertrauensverhältnis aufgebaut ist – kann dann gerne auch der digitale Weg über Video-Konferenz-Tools gewählt werden. Das richtige „Mischverhältnis“ ist dabei stets hoch individuell und wird maßgeblich durch Ihr Produkt, den entsprechenden Markt, Ihren Ansprechpartner beim Kunden und auch durch die digitalen Kompetenzen Ihrer Vertriebsmannschaft bestimmt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Einführung der digitalen Komponente in den Vertrieb nie in Konkurrenz zum analogen Vertrieb stehen sollte – viel eher ist er als begleitender Vertriebsansatz zu sehen. Nur eine Verbindung beider Stärken und Vorteile, stets unter Berücksichtigung des Produkts, des Marktes und des Kunden per se – führt langfristig zu einer nachhaltigen und erfolgreichen Vertriebsstrategie, mit der man sich optimal an den Bedürfnissen der Kunden orientiert und gleichzeitig auch den „klassischen“ Außendienst entlastet.

Quelle: https://www.b4bschwaben.de/