Dr. Bauer im Interview mit dem VMM-Wirtschaftsverlag.
Wie ist die aktuelle Lage zum Thema CSRD in Deutschland Herr Dr. Bauer?
Das Thema CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) bereitet vielen mittelständischen Unternehmen aktuell Kopfzerbrechen.
Ab dem Geschäftsjahr 2024 sind große Unternehmen verpflichtet einen Nachhaltigkeitsbericht in den Lagebericht zu integrieren. In den Folgejahren wird diese Regelung auf weitere Unternehmensgrößen ausgeweitet. Aus Gesprächen weiß ich, dass viele mittelständische Unternehmer sich fragen, was diese Regelung für Sie bedeutet und was zu tun ist. Klar gibt es hier auch Unterschiede: Unternehmen, die bereits für das Geschäftsjahr 2024 berichten müssen, haben sich nach unserer Erfahrung bereits intensiver mit der CSRD auseinandergesetzt und befinden sich entweder mitten in der Implementierung oder stehen kurz vor dem Abschluss.
Wer ist aktuell von der Regelung betroffen?
Große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern müssen bereits über das laufende Geschäftsjahr 2024 erstmalig nach CSRD berichten. Stufenweise werden weitere Unternehmen folgen.
Welche Fristen gelten hier?
Die CSRD sieht folgenden Zeitplan vor:
Ab 1. Januar 2024: Große Unternehmen, die bereits den Anforderungen der NFRD (Non financial reporting directive) unterliegen.
Ab 1. Januar 2025: Andere große Unternehmen, die derzeit noch nicht von der NFRD erfasst werden.
Ab 1. Januar 2026: Börsennotierte KMU, kleine und nicht-komplexe Kreditinstitute sowie firmeneigene Versicherungsunternehmen.
Die ersten Berichte, die den neuen Anforderungen der CSRD entsprechen, müssen somit für das Geschäftsjahr 2024 erstellt und im Jahr 2025 veröffentlicht werden, sofern das Unternehmen ab 2024 berichtspflichtig ist.
Was versteht man unter CSRD?
Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist eine EU-Richtlinie, die darauf abzielt, die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen zu verbessern und zu standardisieren. Die CSRD erweitert und ersetzt die bisherige Non-Financial Reporting Directive (NFRD) und zielt darauf ab, die Transparenz und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsinformationen zu erhöhen, was sowohl Investoren als auch anderen Stakeholdern zugutekommt. Die alleinige Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts obliegt dem Wirtschaftsprüfer. Die BaFin prüft anschließend die Nachhaltigkeitsberichterstattung als Teil des Lageberichts von kapitalmarktorientierten Unternehmen im Rahmen der Bilanzkontrolle. Wichtig ist es zu wissen, dass der Nachhaltigkeitsbericht den gleichen Stellenwert haben wird, wie die bisherige Finanzberichterstattung.
Warum wird für die CSRD hier eine Unternehmensberatung benötigt, reicht es nicht externen Rat vom Wirtschaftsprüfer einzuholen?
Das sehe ich nicht so. Natürlich spricht nichts dagegen, sich die Meinung und Unterstützung vom eigenen Wirtschaftsprüfer einzuholen. Das ist sogar zu empfehlen. Aber in diesem Fall ist eine klare Trennung zwischen der Beratung und späteren Prüfung zu empfehlen. Dem würde auch Ihr Wirtschaftsprüfer beipflichten.
Warum, können Sie uns das genauer erklären?
Dazu muss man wissen, was der Hauptbestandteil des CSRD-Berichts ist. Kern der Nachhaltigkeitsberichterstattung sind vereinfacht gesprochen Informationen über die wesentlichen Auswirkungen der Tätigkeiten des Unternehmens auf Menschen und Umwelt („Inside-Out-Perspektive“) als auch umgekehrt die Auswirkungen der Umwelt auf das Unternehmen selbst („Outside-In-Perspektive“). Beispielsweise kann sich der Klimawandel ganz entscheidend auf die Leistung und wirtschaftliche Lage eines Lebensmittelherstellers auswirken. Da hier wesentliche Auswirkungen in beide Richtungen betrachtet werden, spricht man vom „Prinzip der doppelten Wesentlichkeit“. Hier kommen wir ins Spiel. Als ESG-Experte begleite ich mit meinem Team den kompletten Prozess von der Analyse bis hin zu Umsetzung der doppelten Wesentlichkeit. Wirtschaftsprüfer legen den Fokus klassischerweise auf die Prüfung des Ergebnisses. Meine Empfehlung ist hier deshalb, Prüfung und Beratung zu trennen und auf spezielle Erfahrungen sowie Wissen im Bereich der doppelten Wesentlichkeitsanalyse zu setzen. Nichtsdestotrotz stimmen wir uns mit den Wirtschaftsprüfern ab, um die Sicht und Anforderungen der Prüfer zu berücksichtigen.
Welche Handlungsempfehlungen können Sie den Unternehmen geben?
Zunächst ist es für Unternehmen wichtig zu verstehen, um was es sich bei der neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung handelt, was diese für das individuelle Unternehmen bedeutet und „wo Sie aktuell stehen“. Wir wissen, wie stark Unternehmen im Tagesgeschäft gebunden sind, deshalb ist es sinnvoll für Unternehmen kompetente Beratung durch einen zertifizierten CSRD-Experten einzuholen. Grundsätzlich empfehlen wir normalerweise einen fachbereichsübergreifenden Ansatz. ESG ist nun mal kein klassisches Controlling- oder Personalthema. Es sollte auch geprüft werden, welche Möglichkeiten digitale Lösungen zur Vereinfachung der Datenerfassung und -verarbeitung sowie zur Unterstützung des Prozesses beitragen könnten. Eine professionelle Softwarelösung ist zwar nicht immer zwingend erforderlich, kann aber je nach Anforderungsprofil doch hilfreich sein. Wichtig ist, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung langfristig bleiben wird und auch höchstwahrscheinlich noch ausgeweitet wird. Deshalb empfehlen wir Ihnen mit Blick auf die Zukunft, sich bereits jetzt mit dem Nachhaltigkeitsmanagement auseinander zu setzen, um mit genügend Vorlauf zu agieren und mögliche Wettbewerbsvorteile für sich zu nutzen.
Wie unterstützen Sie diesen Prozess, was sind Ihre ersten Schritte?
Wir als Blue Advisory starten meist mit einem sogenannten “ESG-Briefing“ oft in Form eines kompakten Workshops bzw. Quick-Checks, der erstens ein Grundverständnis zum Thema CSRD schafft und zweitens notwendige sowie mögliche Handlungsbedarfe liefert. Es ist aus unserer Sicht immer hilfreich und wichtig im ersten Schritt das meist fremde und komplexe Thema einfach und verständlich zu machen. Das gelingt uns erfahrungsgemäß sehr gut. Im gleichen Rahmen prüfen wir anhand einer Fit-Gap-Analyse, ob es bereits vorhandene Ansätze im Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit (z.B. eine Nachhaltigkeitsbroschüre oder einen NFRD-Bericht) gibt, um den ESG-Reifegrad zu bestimmen. Das Ziel des Workshops ist es, Schwerpunkte zu setzen und Handlungsfelder zu bestimmen. In den weiteren Schritten folgen dann üblicherweise die doppelte Wesentlichkeitsanalyse, die Ableitung der Nachhaltigkeits-Strategie, Ziele und Maßnahmen, die Umsetzungsplanung und gegebenenfalls die Auswahl und Einführung von ESG-Software und Tools.
Um was genau geht es denn bei der doppelten Wesentlichkeitsanalyse?
Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse ist das zentrale Element der CSRD-Berichterstattung. Sie ist, wenn man so will, der Schlüssel dafür. Angesichts der Vielzahl an Einzelthemen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance stehen Unternehmen vor der Herausforderung, ihre Berichterstattung auf die für sie wesentlichen Themen zu fokussieren. Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse legt anhand eines standardisierten Katalogs und Vorgehens die wesentlichen Themen fest, die in Ihrem Nachhaltigkeitsbericht abgedeckt werden müssen. Wie bereits erwähnt wird zwischen der Inside-Out Perspektive, auch Impact Materiality genannt, und der Outside-In Perspektive, auch Financial Materiality, unterschieden.
Die Inside-Out Perspektive hilft Unternehmen dabei, die tatsächlichen und potenziellen positiven und negativen Auswirkungen ihres Handelns für die Umwelt und Gesellschaft zu identifizieren. Die Outside-In Perspektive konzentriert sich auf die Chancen und Risiken aus der Umwelt und Gesellschaft für die finanzielle Lage eines Unternehmens und die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells. Bei der Festlegung wesentlicher Themen müssen Unternehmen gemäß CSRD stets beide Perspektiven berücksichtigen und darüber entscheiden, welche Themen für sie relevant sind.
Viele Unternehmen sind 2024 noch nicht von der CSRD betroffen, außerdem gibt es Übergangsfristen. Dann muss das Thema noch nicht ganz oben auf die Agenda, oder?
Ich würde allen – auch den heute noch nicht unmittelbar betroffenen – Unternehmen trotzdem empfehlen, sich jetzt schon mit der CSRD auseinanderzusetzen. Dafür gibt es drei wesentliche Gründe:
Erstens werden auch kleinere Unternehmen zeitnah und indirekt betroffen sein, da ihre Kunden die Nachhaltigkeit der gesamten Lieferkette prüfen werden.
Zweitens erfordert die Einarbeitung in die neuen Anforderungen und die Vorbereitung eine gewisse Zeit: Zuständigkeiten müssen definiert und Daten gesammelt werden. Dies lässt sich schrittweise besser bewältigen als später in einer „Hauruck-Aktion“.
Drittens kann die frühzeitige Beschäftigung mit der CSRD auch einen Wettbewerbsvorteil (z.B. der schnelleren Umstellung eines Geschäftsmodells) bedeuten.
Werden im ESG-Kontext noch weitere Pflichten auf Unternehmen zukommen?
Davon ist auszugehen. Insbesondere die Industrie wird sich auf weitere regulatorische Schritte einstellen müssen, was beispielsweise die CO2-Besteuerung oder die EU-Taxonomie schon zeigen. Auch hier bringt es erhebliche Vorteile, wenn sich Unternehmen rechtzeitig damit beschäftigen und die wesentlichen Stellhebel erkennen – das kann erhebliche Einsparungen (z.B. vermeidbare CO2-Kosten) mit sich bringen.
Warum sollten Unternehmen angesichts der Herausforderung CSRD-Implementierung auf die Unterstützung von Blue Advisory setzen?
Wir verstehen uns als unabhängigen, zertifizierten Begleiter, der Unternehmen aus unabhängiger Sicht umfassend und mit unternehmerischem Augenmaß bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie darüber hinaus unterstützt. Zudem haben wir durch bereits durchgeführte und laufende Projekte die Erfahrung und sind bei diesem sich dynamisch entwickelnden Thema am „Puls der Zeit“. Mit umfassend meine ich, dass wir in unserem Beratungsansatz alle Belange (u.a. Prozesse, Organisation, Daten, Technologie, Wissen, etc.) mit einbeziehen. Somit erhalten die Unternehmen das komplette Paket in verständlicher Art und Weise aus einer Hand und müssen nicht zusätzliche Schulungen, Webinare oder ähnliches besuchen. Außerdem führen wir vor dem Projektstart einen Workshop bzw. ESG-Briefing (inkl. Quick-Check) durch, um festzustellen, welche Maßnahmen überhaupt nötig sind, sodass sich der Aufwand immer im angemessenen Rahmen hält.
Was wollen Sie abschließend unseren Lesern mit auf dem Weg geben?
Wenn Sie noch viele Fragezeichen zum Thema haben oder das Thema noch nicht angegangen sind, freue ich mich mit Ihnen in einem unverbindlichen Erstgespräch gemeinsam den möglichen Handlungsbedarf zu diskutieren und unseren bewährten Ansatz im Detail zu erläutern.
Hintergründe zum Interviewteilnehmer:
Dr. Mathias Bauer ist Geschäftsführer der Blue Advisory GmbH in Augsburg. Er berät und unterstützt Unternehmen unter anderem bei der Umsetzung von CSRD-Reporting-Anforderungen und verantwortet den Bereich Nachhaltigkeitsmanagement bei Blue Advisory. Er hat sich in seiner Promotion intensiv der ökonomischen Nachhaltigkeit gewidmet. Er ist ESG-Experte und Mitglied der ESG Expert Alliance.
Quelle: B4B-Schwaben